Andere Schreibweise: Golgota; Golgatha; Calvaria; calvary
Markus Lau
(erstellt: Juli 2019)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/46736/
1. Golgotha im Neuen Testament
Golgotha ist der Name einer in den neutestamentlichen Evangelien genannten Hinrichtungsstätte bei Jerusalem. Der Begriff findet sich ausschließlich in Mt 27,33
2. Etymologie und innerbiblische Übersetzungen
Mt 27,33
Die Verwendung des Begriffs Golgotha zur Beschreibung einer Ortslage legt nahe, dass der Ort selbst schädelartige Struktur hat und / oder im Vergleich zum durchschnittlichen Terrain Jerusalems, das seinerseits durch Stadttal und Quertal ein deutliches Relief aufweist, etwas erhöht liegt und einen sichtbaren Felskopf bietet (vgl. Frenschkowski / Martin, 550).
3. Zur Lage Golgothas nach dem Neuen Testament
Die neutestamentlichen Evangelien verorten dieses erhöhte Golgotha außerhalb der Stadtmauern des herodianischen Jerusalem (vgl. Küchler 2007, 416-418) und doch in großer Nähe zur Stadt (zu Hebr 13,12
4. Die Funktionalisierung der Lage Golgothas im Rahmen von Hebr 13
Während die neutestamentlichen Evangelien Golgotha zwar als herausgehobenen Handlungsort innerhalb der Passionsgeschichten präsentieren, aber den Begriff selbst oder seine Übersetzung nicht funktional-pragmatisch für ihre theologischen Zwecke nutzen (vgl. immerhin zu einer möglichen Allusion auf das römische Kapitol in Mk 15,22
5. Rezeption in Stein: Das lokal identifizierte und überbaute Golgotha
Golgotha ist im Laufe der christlichen Tradition nicht allein ein literarischer Ort der Evangelien geblieben. Es ist das byzantinische Christentum, das gleichsam hinter die erzählten Texte in die Geschichte zurückgreift und im Rahmen der baugeschichtlichen Transformation (vgl. dazu Küchler / Lau) der paganen Militärkolonie Aelia Capitolina, die nach 135 n. Chr. an die Stelle der einstigen jüdischen Tempelstadt Jerusalem getreten ist, in der christlichen Metropole Jerusalem einen Ort Golgotha findet. Golgotha wird so eine topographische Realie, die Pilger besuchen können (zu Traditionen, die sich mit diesem Ort im Laufe der Geschichte verbinden, vgl. Bieberstein, 1080; Küchler 2007, 438-440.464-468). Die Baupolitik des Kaisers Konstantin gibt Golgotha im Verbund mit dem leeren Grab Jesu einen Ort in der Anastasiskathedrale Jerusalems. Die Felsnase Golgotha wird dabei in die südlichen Seitenschiffe des basilikalen Baukörpers integriert und bildet den Übergang zum Atriumsbereich, der sich westlich an die Basilika anschließt und zum heiligen Grab vermittelt, das das Zentrum des ganzen Kirchenbaus bildet (für Details → Grab Jesu
In historisch-archäologischer Perspektive (vgl. Vieweger 2016, 33-40; Küchler 2007, 422-433.485f.) zeigt sich, dass der heute in der Jerusalemer Grabeskirche gezeigte und durch Kapellen eingefasste Fels Teil eines antiken Steinbruchgeländes war, das eine zerklüftete Struktur aufwies und nach dem Ende seiner Ausbeutung in herodianischer Zeit eine Mischnutzung als Garten- und Felsgrabgelände erfuhr.
Zu diesen Kapellen gehört auch die Adamskapelle am Fuß des Golgothafelsen auf dem Niveau des heutigen Eingangsbereichs, die an die bereits bei Origenes (Matthäuskommentar zu Mt 27,32
Die relativ isolierte und erhöhte Lage des heutigen Felsens verdankt sich dabei dem Steinabbau, der offenkundig die heute bestehende Felsnase nicht erfasst hat, weil das Gestein sich als taub erwies und für Bauwerke schlechterdings von zu minderer Qualität war. Dieser archäologische Befund lässt die begründete Vermutung zu, dass dieser Steinbruchbereich in herodianischer Zeit vor der Stadtmauer lag, deren konkreter Verlauf im Norden Jerusalems allerdings ungeklärt ist, weil archäologische Befunde der Mauer (noch) fehlen. Ob der heute konkret gezeigte Golgothafelsen, der durch das Pilgerwesen überdies arg in Mitleidenschaft gezogen wurde, weil Pilger bemüht waren, Steinfragmente als Reliquien aus dem als heilig erachteten Felsen herauszulösen, tatsächlich der Ort der Kreuzigung Jesu war, lässt sich freilich nicht sagen. Wohl aber erscheint das Gesamtareal der heutigen Grabeskirche ein in historischer Perspektive möglicher, ja wahrscheinlicher Ort für Kreuzigung und Grablegung Jesu zu sein (zu alternativen Verortungen von Golgotha beim Gartengrab nördlich der heutigen Jerusalemer Altstadt → Grab Jesu
Literaturverzeichnis
- Backhaus, K., Der Hebräerbrief (RNT), Regensburg 2009
- Bieberstein, K., Art. Golgotha, in: RGG4 3 (2000) 1080
- Frenschkowski, M. / Martin, E. L., Art. Kreuzigungsstätte, in: NBL II (1995) 549-551
- Gräßer, E., An die Hebräer. 3. Teilband: Hebr 10,19-13,25 (EKK XVII/3), Zürich / Neukirchen-Vluyn 1997
- Küchler, M., Art. Golgota, in: LThK3 IV (1995) 828-829
- Küchler, M., Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt (OLB IV/2), Göttingen 2007
- Küchler, M. / Lau, M., Topographie und Baugeschichte Jerusalems in römischer und byzantinischer Zeit, in: Heyden, K. / Lissek, M. (Hgg.), Jerusalem in Roman-Byzantine Times. Images, Politics and Life of the City from Hadrian to Heraclius (COMES), Tübingen 2019 (im Druck)
- Lau, M., Der gekreuzigte Triumphator. Eine motivkritische Studie zum Markusevangelium (NTOA 114), Göttingen 2019
- Martin, E. L., Secrets of Golgotha. The Forgotten History of Christ’s Crucifixion, Alhambra 1988
- Rüger, H. P., Die lexikalischen Aramaismen im Markusevangelium, in: Cancik, H. (Hg.), Markus-Philologie. Historische, literargeschichtliche und stilistische Untersuchungen zum zweiten Evangelium (WUNT 33), Tübingen 1984, 73-84
- Vieweger, D., A Re-Appraisal of the Ute Wagner-Lux Excavations Beneath the Church of the Redeemer, in: Vieweger, D. / Gibson, S. (Hgg.), The Archaeology and History of the Church of the Redeemer and the Muristan in Jerusalem. A Collection of Essays from a Workshop on the Church of the Redeemer and its Vicinity held on 8th/9th September 2014 in Jerusalem, Oxford 2016, 31-41
- Zevallos Padilla, K., Die heiligen Berge Jerusalems. Erinnerungsträger dreier Weltreligionen, Berlin 2008 (Diss. masch. TU Berlin; Online unter: https://depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/2330/2/Dokument_37.pdf
[letzter Zugriff: 29.04.2019])
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download: